Letzte Woche habe ich einen Release Technique Workshop im Rahmen von Public Moves von ImPulsTanz in der Seestadt Aspern mit dem Titel Staying grounded in a dystopic world unterrichtet.
Normalerweise denke ich bei "gounding" und "release" an Zugänge aus Release Technique, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt und in eigener Forschung und Praxis sowie im Unterricht weiterentwickelt habe, sowie in den letzten Jahren besonders an Klein Techniqe™. Beim Vorbereiten habe ich jedoch bemerkt, dass mich geologische Themen gerade mehr beschäftigen und inspirieren. So ist es zum Teil (fast) eine getanzte Geologievorlesung geworden. Dafür habe ich bis zur letzten Sekunde noch Informationen über den Untergrund des Wiener Beckens unter den Neogenen Sedimenten eingeholt…
Nach einem „schüttelndem“ Teil zum Ankommen - den ich auch als Zeitreise in die Vergangenheit empfand - sind wir zunächst wie Quallen durch den Ozean gefloatet. Im lichtdurchfluteten Wasser, zwischen Algen, vorbei an Korallenriffen. Dann wurden wir zu Zellen dieser Quallen - inter- und intrazellulär Flüssigkeit, Zellatmung, dadurch verbunden, Impulse aufnehmend.
Danach sind wir noch einen Schritt zurück gegangen in die metaphorische Ursuppe als eine Synonym für völlige Auflösung und Formlosigkeit. Vor der Entwicklung der Zellmembran stelle ich mir diesen Raum der frei schwimmenden Moleküle als einen Ort der absoluten Grenzenlosigkeit und „Gleichheit“ vor: wenn wir keine Körpergrenzen haben, die uns trennen und ebenso umhüllen, ist - im Tanzen - unser Körper, der Raum, die Luft, die andern Menschen, die umgebenden Gebäude gleichwertig und eins. Im Folgenden haben wir langsam Zellmembranen erscheinen lassen, somit eine klare Körpergrenze, die uns zu abgegrenzten Entitäten macht. Vielleicht auch ein Gefühl von plastisch-Sein und skulpturaler Form. Diese Einzeller haben sich dann vorsichtig tastend zu Zwei- und Mehrzellern zusammengetan. Es entstand eine sehr zarte und berührende Stimmung.
Langsam haben wir einen Weg in Rückenlage auf den Boden gefunden und uns sukzessive durch die Schichten immer tiefer und immer weiter zurück in die Vergangenheit sinken lassen - durch den Tanzboden, den Asphalt, die Schotter der frühen, unregulierten Donau, den Sanden und dem Schlamm des brackigen Pannonsees und des Meers Paratethys, bis ins feste Gestein - Flysch oder Kalkalpen (ich konnte nicht herausfinden, was sich konkret unter der Seestadt Aspern befindet), die nochmal einige Millionen Jahre früher in einem anderen Ozean entstanden sind. So lagen wir viele Millionen Jahre entfernt und einige Kilometer unter der sichtbaren Oberfläche versunken, der Lärm der Stadt veränderte seine Bedeutung, alles Alltägliche geriet in die Ferne und unsere Körper waren tief in den Untergrund verbunden.
Aus dieser Stimmung heraus leitete ich in Folge einige klassische Release Übungen an, immer wieder auf diese Art der Erdung und Tiefe verweisend, sowie auf die Analogie von Knochen und Gestein (dichtes, stabiles Gewebe, verhältnismäßig dauerhaft und doch Veränderung und Transformation unterworfen und lebendig). Schließlich beendeten wir den Workshop mit einigen schwungvolleren Bewegungsabläufen im Stehen und einer abschließenden freien Improvisation, in der das Erlebte frei umgesetzt werden konnte.
Mehrere Teilnehmer:innen gaben als Feedback an, den Workshop extrem entspannend und als eine faszinierende Reise erlebt zu haben. Meine ruhige, klare Ansage hätte sie in eine neue Welt getragen.
Am Fr, 19.7. um 17.00 unterrichte ich nochmals Release Technique am Schwarzenbergplatz Info und Anmeldung
Workshop Beschreibung: In this class, we want to listen deeply into our body and go to the level of our bones. By recognising and releasing (unnecessary) tensions in our muscles, gravity can work freely and organically through our skeletal system. We follow the inner landscapes of our body and discover more lightness and freedom in movement, as well as grounding, centring and wholeness. Somatic imagery and immersive associations with nature help us to enter into a mindfully connected dance flow.
© Andrea Nagl 2024
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